Was passiert, wenn Onlineshops aufhören, nur zu verkaufen und stattdessen beginnen, Produkte im Kreislauf zu denken? Genau das beschreibt Circular Commerce. In dieser Form des E-Commerce endet der Produktlebenszyklus nicht mit dem Versand, sondern fängt dort oft erst richtig an.
Gebrauchte Artikel kehren zurück, werden repariert, aufbereitet oder weiterverkauft. Verpackungen bestehen aus wiederverwerteten Materialien, Rücknahmeprogramme ersetzen Einwegmodelle. Das Ergebnis: weniger Abfall, geringere Kosten und treuere Kund:innen.
Für dich als E-Commerce-Unternehmer:in bedeutet Circular Commerce die Chance, wirtschaftliche Effizienz mit echter Nachhaltigkeit zu verbinden und gleichzeitig auf ein verändertes Konsumverhalten zu reagieren. In diesem Beitrag zeigen wir dir, wie du das Modell richtig nutzt und gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt tust.
Was ist Circular Commerce?
Circular Commerce beschreibt ein nachhaltiges Handelsmodell, bei dem Produkte, Materialien und Verpackungen im Kreislauf geführt werden. Ziel ist es, Ressourcen zu schonen, Abfall zu vermeiden und den Produktlebenszyklus durch Wiederverwendung, Reparatur und Recycling zu verlängern.
Warum ist Circular Commerce jetzt so relevant?
Circular Commerce ist mehr als ein Nachhaltigkeitstrend – er ist eine Antwort auf tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen. Mehrere Faktoren treiben die Entwicklung aktuell besonders stark voran:
1. Wandel im Konsumverhalten
Immer mehr Konsument:innen treffen ihre Kaufentscheidungen bewusst. Sie achten darauf, wie Produkte hergestellt, verpackt und entsorgt werden. Transparenz, Reparierbarkeit und die Möglichkeit, Produkte länger zu nutzen oder zurückzugeben, werden zu echten Kaufargumenten. Marken, die hier glaubwürdig agieren, gewinnen Vertrauen – während reines „Greenwashing“ schnell abgestraft wird.
2. Regulatorischer Druck
Politik und EU-Regularien setzen neue Maßstäbe für nachhaltiges Wirtschaften. Die Ökodesign-Verordnung verpflichtet Hersteller:innen dazu, Produkte langlebiger, reparierbarer und ressourcenschonender zu gestalten. Auch das Lieferkettengesetz und neue Verpackungsrichtlinien fordern Unternehmen auf, Verantwortung für den gesamten Produktlebenszyklus zu übernehmen. Circular Commerce bietet hier die Chance, diesen Anforderungen nicht nur zu genügen, sondern sie in Wettbewerbsvorteile zu verwandeln.
3. Wirtschaftliche Resilienz
Globale Lieferketten sind anfällig für Störungen: sei es durch geopolitische Spannungen, steigende Rohstoffpreise oder Materialknappheit. Zirkuläre Geschäftsmodelle helfen, Abhängigkeiten zu reduzieren, Ressourcen effizienter zu nutzen und Produktionskosten zu senken. Indem du Materialien und Produkte wieder in den Kreislauf bringst, sicherst du dir gleichzeitig einen stabileren Zugang zu wertvollen Rohstoffen.
4. Technologischer Fortschritt
Digitale Tools machen Circular Commerce praktikabler denn je. Tracking-Systeme, Produktpässe oder QR-Codes ermöglichen Rückverfolgbarkeit über den gesamten Lebenszyklus. KI-gestützte Datenanalysen helfen, Rückläufer zu bewerten oder Recyclingpotenziale zu erkennen. Damit wird ein Geschäftsmodell möglich, das wirtschaftlich tragfähig und ökologisch sinnvoll zugleich ist.
5. Wettbewerbsvorteil durch Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Differenzierungsmerkmal. Wer Circular Commerce frühzeitig integriert, positioniert sich als verantwortungsbewusster Vorreiter im E-Commerce und profitiert von einer loyalen, wachstumsstarken Kundenbasis. Gleichzeitig stärkt die zirkuläre Denkweise interne Prozesse, spart Kosten und steigert die Innovationskraft.
Vorteile für deinen Shop
Circular Commerce verbindet ökologische Verantwortung mit wirtschaftlicher Stärke. Als Teil der Kreislaufwirtschaft ist dieses Wirtschaftsmodell darauf ausgelegt, Ressourcen im Umlauf zu halten und damit langfristig sowohl die Umwelt als auch die Wirtschaft zu entlasten. Für Online-Händler:innen entsteht daraus ein zukunftsfähiger Ansatz, der Nachhaltigkeit, Effizienz und Wachstum vereint.
1. Nachhaltigkeit als Wachstumstreiber
Nachhaltige Marken gelten zunehmend als glaubwürdige und verantwortungsbewusste Akteur:innen. Kund:innen bevorzugen Produkte, deren Herstellung und Verpackung die Natur respektieren und das Klima weniger belasten. Wenn dein Shop durch zirkuläre Prozesse – etwa Rücknahmeprogramme, Recycling oder wiederverwendbare Verpackungen – aktiv Teil der Kreislaufwirtschaft wird, stärkt das Vertrauen und sorgt für stabile Kundenbeziehungen.
2. Neue Umsatzquellen durch Second-Life-Modelle
Circular Commerce eröffnet neue Wege, Produkte wirtschaftlich weiterzunutzen. Durch Refurbished-Angebote, Mietmodelle oder den Weiterverkauf gebrauchter Artikel schaffst du eine Art zweites Produktleben. Diese Art des Wirtschaftens senkt nicht nur den Ressourcenverbrauch, sondern steigert auch den Umsatz, weil Materialien, die bereits in der Produktion eingesetzt wurden, erneut Wert schaffen.
3. Kostenreduktion und Effizienzsteigerung
Ein zirkuläres Wirtschaftsmodell verringert Abhängigkeiten von teuren Rohstoffen und komplexen Lieferketten. Wenn du Materialien und Komponenten wiederverwendest, sinken Beschaffungskosten und Produktionsaufwand. Gleichzeitig wird deine Produktion widerstandsfähiger gegenüber Markt- und Preisentwicklungen – ein klarer Vorteil in Zeiten knapper Ressourcen.
4. Stärkeres Markenimage und Differenzierung
Wer Circular Commerce konsequent umsetzt, positioniert sich als innovatives Unternehmen, das Wirtschaft und Natur in Einklang bringt. Diese Haltung wirkt authentisch und grenzt dich klar von Wettbewerber:innen ab, die weiterhin lineare Prozesse verfolgen. Das stärkt dein Markenimage und zeigt, dass du Verantwortung für Umwelt und Klima übernimmst.
5. Bessere Kundenbindung
Durch Rücknahme-, Reparatur- oder Recyclingprogramme bleibst du mit deinen Kund:innen in regelmäßigem Austausch. Sie erleben deine Marke als Partner, der nachhaltige Lösungen bietet und sich um die langfristige Nutzung von Produkten kümmert. Diese Art der Beziehung schafft Loyalität und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Wiederkäufe.
6. Beitrag zur regulatorischen Sicherheit
Ein Geschäftsmodell, das Prinzipien der Kreislaufwirtschaft integriert, erfüllt viele aktuelle und kommende Umweltauflagen bereits im Voraus. Dadurch handelst du rechtssicher und vermeidest spätere Anpassungskosten – etwa bei neuen Regeln zur nachhaltigen Produktion oder zum Ressourcenschutz.
7. Positive Wirkung auf Lieferketten und Partner:innen
Circular Commerce verändert auch die Art und Weise, wie Unternehmen zusammenarbeiten. Kooperationen mit nachhaltigen Produzent:innen, Recycling-Betrieben oder Reparaturdiensten fördern eine effizientere Wertschöpfungskette und stärken ökologische Standards entlang der gesamten Produktion.
8. Beitrag zu Klima- und Umweltschutz
Zirkuläre Prozesse reduzieren Energieverbrauch, Emissionen und Abfälle – und tragen damit direkt zum Schutz von Klima und Natur bei. Jeder reparierte, recycelte oder weitergenutzte Artikel bedeutet weniger Belastung für Ressourcen und Umwelt. Damit leistest du als Online-Händler:in einen spürbaren Beitrag zur ökologischen Transformation des Handels.
Schritt-für-Schritt: So setzt du Circular Commerce im Onlinehandel um
Circular Commerce ist ein Konzept, das auf der Definition der Kreislaufwirtschaft basiert: Produkte, Materialien und Ressourcen sollen möglichst lange im Umlauf bleiben. Für viele Unternehmen im Internet-Handel ist der Einstieg einfacher, als es zunächst scheint – entscheidend ist ein strukturierter Plan mit einem klaren Blick auf Prozesse, Kundenverhalten und wirtschaftliche Effekte.
1. Ausgangslage analysieren
Bevor du Maßnahmen umsetzt, lohnt sich ein genauer Blick auf deine Ausgangssituation:
- Prüfe Daten zu Retouren, Defektraten und Überbeständen.
- Analysiere, welche Produktkategorien sich für eine Wiederverwendung oder Aufbereitung eignen.
- Erstelle eine Definition deiner zirkulären Ziele – etwa: weniger Abfall, geringere Kosten, längere Produktlebenszyklen.
- Betrachte Verpackungen und Materialien: Welche lassen sich wiederverwenden oder leichter recyceln?
So erhältst du eine solide Basis, um das Konzept schrittweise und effizient in deinen Onlineshop zu integrieren.
2. Use-Cases priorisieren und als Pilot planen
Starte klein, aber gezielt. Wähle Produktgruppen, bei denen die Nachfrage nach Refurbished- oder Second-Life-Artikeln hoch ist. Plane einen Pilotversuch über mehrere Wochen, um Prozesse zu testen. Halte fest, wie du Retouren prüfst, Produkte bewertest und erneut anbietest.
3. Rücknahme- und Prüfprozess aufsetzen
Ein durchdachter Retourenprozess ist das Herzstück eines funktionierenden Circular-Commerce-Modells:
- Definiere klare Abläufe für Annahme, Sortierung und Bewertung von Rücksendungen.
- Lege Zustandsklassen fest (z. B. A–C), um die Wiederverkaufspreise transparent zu gestalten.
- Plane, wie du Kund:innen über das Internet über Rücknahmeoptionen, Reparaturen und Ersatzteile informierst.
4. Aufbereitung und Wiederverkauf organisieren
Produkte, die geprüft und aufbereitet werden, verlangsamen den Ressourcenverbrauch und verlängern den Lebenszyklus.
- Entscheide, ob du selbst aufbereitest oder mit externen Partner:innen zusammenarbeitest.
- Sorge dafür, dass Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien verfügbar sind.
- Beschreibe die Artikel im Shop klar: Zustand, Preisvorteil, Reparaturumfang, Herkunft.
5. Recommerce- und Mietmodelle testen
Setze auf flexible Modelle, die zur steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Alternativen passen:
- Recommerce: Rückläufer und geprüfte Retouren erneut verkaufen.
- Mietmodelle: Produkte für begrenzte Zeit anbieten, Rücklauf und Wiederaufbereitung klar definieren.
- Tauschprogramme: Kund:innen ermöglichen, alte Produkte gegen Gutschriften einzutauschen.
6. Verpackung und Logistik zirkulär denken
Optimiere deine Logistik, um Transportwege und Emissionen zu verlangsamen und Ressourcen effizient zu nutzen:
- Mehrwegverpackungen und recycelte Materialien einsetzen.
- Versand und Rücksendung digital steuern, z. B. mit QR-Codes oder Rücksendeportalen im Internet.
- Retourenströme bündeln und wiederkehrende Versandzyklen minimieren.
7. Transparenz und Kommunikation aufsetzen
Kund:innen wollen nachvollziehen, wie nachhaltig ein Shop wirklich handelt. Erkläre dein Konzept offen:
- Zeige auf Produktseiten, wie Rücknahme, Aufbereitung und Recycling ablaufen.
- Kommuniziere deine Definition von „refurbished“ oder „gebraucht“, um Vertrauen zu schaffen.
- Berichte regelmäßig über Fortschritte und Herausforderungen – das wirkt glaubwürdig und stärkt dein Markenimage.
8. Rechtliche und regulatorische Anforderungen prüfen
Ein nachhaltiges Konzept muss rechtlich abgesichert sein. Beachte dabei:
- Gewährleistung, Widerruf und Datensicherheit bei gebrauchten Produkten.
- Rücknahme- und Entsorgungspflichten, Verpackungsgesetz, Produktsicherheitsverordnungen.
- Dokumentation von Prüf- und Recyclingprozessen.
9. Daten, Systeme und Automatisierung
Digitale Lösungen im Internet helfen, Circular Commerce effizient zu steuern:
- Tracking-Systeme für Produkte und Retouren.
- Automatisierte Workflows für Prüfung, Etikettierung und Wiederverkauf.
- Dashboards zur Auswertung von Nachfrage, Margen und Rücklaufquoten.
10. Skalierung und kontinuierliche Verbesserung
Circular Commerce ist ein langfristiger Prozess. Wenn erste Pilotprojekte laufen, kannst du dein Konzept erweitern:
- Neue Kategorien einbeziehen und Partner:innen für Aufbereitung und Recycling gewinnen.
- Erkenntnisse aus Retouren und Kundenfeedback in die Produktion und Produktentwicklung zurückspielen.
- Prozesse regelmäßig bewerten, um Effizienz und Kundenzufriedenheit weiter zu steigern.
Beispiele für Circular Commerce
Everdrop

Das Münchner Unternehmen Everdrop zeigt, wie Kreislaufwirtschaft im Alltag ankommen kann. Das Konzept basiert auf wiederverwendbaren Verpackungen und Nachfüllsystemen, die Abfall und Transportvolumen deutlich reduzieren. Statt jedes Mal neue Reinigungsmittel zu kaufen, erhalten Kund:innen Tabs oder Pulver, die in bestehenden Flaschen aufgelöst werden. So verlangsamt sich der Materialverbrauch spürbar, während Produktion und Versand ressourcenschonender ablaufen.
Wildling Shoes

Wildling produziert minimalistische Schuhe, die auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und natürliche Materialien ausgelegt sind. Durch bewusst reduzierte Produktion, recycelbare Komponenten und transparente Lieferketten setzt die Marke auf ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Kund:innen können beschädigte Produkte reparieren lassen, wodurch der Lebenszyklus jedes Schuhs verlängert und unnötiger Abfall vermieden wird.
Herausforderungen und worauf du achten solltest
Circular Commerce ist ein vielversprechendes Konzept, bringt aber einige praktische und organisatorische Hürden mit sich. Diese Punkte solltest du im Blick behalten:
- Logistik und Prozesse: Rücknahme, Prüfung, Aufbereitung und Wiederverkauf erfordern zusätzliche Abläufe und klare Zuständigkeiten. Plane Lagerflächen, Zeit und Personal für Retouren und Second-Life-Produkte ein.
- Qualitätssicherung: Kund:innen erwarten geprüfte Qualität – unabhängig vom Zustand. Definiere klare Standards, führe Prüfprotokolle ein und kommuniziere Zustandsklassen transparent.
- Wirtschaftlichkeit: Der Einstieg in zirkuläre Modelle kostet zunächst Zeit und Ressourcen. Kalkuliere Aufbereitung, Versand und Reparatur realistisch, um dein Wirtschaftsmodell profitabel zu halten.
- Rechtliche Anforderungen: Beachte Gewährleistung, Rücknahmepflichten, Datenschutz (bei Elektronik) und Umweltauflagen. Unterschiedliche Produktarten können verschiedene Regeln haben.
- Technische Systeme: Für Tracking, Retourenmanagement und Datenauswertung brauchst du digitale Tools, die Produktstatus, Nachfrage und Materialkreisläufe abbilden können.
- Kommunikation und Vertrauen: Sei transparent, wie dein Circular-Commerce-Konzept funktioniert. Erkläre offen, wie du Qualität sicherst, Retouren nutzt und Abfälle vermeidest – das stärkt Glaubwürdigkeit und schützt vor Greenwashing-Vorwürfen.
- Lieferketten und Partner:innen: Enge Abstimmung mit Produzent:innen, Reparaturbetrieben und Recycling-Partner:innen ist entscheidend, um Kreisläufe stabil zu halten.
- Kultureller Wandel: Circular Commerce verändert Denkweisen im Unternehmen. Alle Beteiligten – vom Einkauf bis zum Kundenservice – sollten verstehen, warum die Umstellung wichtig ist und wie sie langfristig Kosten, Klima und Natur entlastet.
Fazit
Circular Commerce ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine strategische Ausrichtung mit Potenzial für ökologische, ökonomische und markenstrategische Vorteile. Der Schritt vom linearen zum zirkulären Modell lohnt sich für dein E-Commerce-Business. Wichtig: Starte pragmatisch. Du musst nicht alles sofort umstellen, aber mit ersten Maßnahmen kannst du eine Richtung zeigen und lernen.





